Manche Menschen glauben, sie denken in Worten. Das tun sie auch, aber nicht nur. Damit sie überhaupt Worte für ihr Gedachtes finden können, müssen sie vorher ohne Worte gedacht haben. Wirkliches Denken ist eine Aktivität, die wir zumeist vorbewusst ausüben, damit wir unseren Worten einen sinnvollen Inhalt geben können. Denn ein Wort ist uns nur als Vorstellung präsent. Wo wir in Worten zu denken meinen, sind wir in Vorstellungen, nicht im Denken, im schon Vorgeprägten; nicht im Vorstellenden, im Vorgestellten; nicht im Leben: in seinem Produkt.
Denken bringt also Sinn hervor und der Sinn unsere Sprache. Wollen wir in dieses Denken einkehren, führt der Weg in das Schweigen, in dem nicht nur die Leere von Vorstellungen, sondern die Fülle der wortlosen Bewegung – des Denkens – Sein stiftet.
Philosophen wie Hegel haben dieses Denken ein Denken in Begriffen genannt. Begriffe sind – im Gegensatz zu unserem alltäglichen Sprachgebrauch – nicht mit Worten definierbar. Begriffe lassen sich bewusst nur denken, wenn wir in ein aktives Schweigen eintreten, das die Worte hinter sich lässt und in die Bewegung eintritt; es sind Bewegungen, die wir selbst erzeugen, aber die sich doch selbst leiten; sie sind die eigentliche Wirklichkeit, weil aus ihnen das Sein hervorgeht.
Was sich vielleicht mystisch anhört, ist in Wahrheit ganz nah am Leben, ja, es ist Leben. Lebendiges Denken kann man lernen, indem man seine Worte in das Schweigen trägt und in die stille, schöpferische Harmonie des Denkens eintritt.
Lydia Fechner