„Umstellt sind wir von Zukünften, trägt doch jede Gegenwart in sich die Wurzeln alles Kommenden, das im Jetzt schon steckt. Selbst in den konkreten kleinen Vollzügen im Alltäglichen geschieht immer auch Zukunft: In Bejahung und Widerspruch, in Fortentwicklung und Verkürzung, Abweichung und Verschiebungen entwickelt und gestaltet der Mensch sein je besonderes Dafürhalten hinsichtlich eines Fortkommens – antwortend auf Wollen und Vorhaben im ihn Umgebenden. Jedes Mit- und Zueinander verweist den Einzelnen darauf, ein Meinen und Begehren Anderer wahrzunehmen und dies beim eigenen Tun zu berücksichtigen. Auch für die einfache Kommunikation gilt das, um so mehr für jedes Entwerfen, das ein „soll sein“ enthält. So unbedingt der Einzelne auch im Gegenwärtigen steht, das Kommende umschlingt ihn, nicht weniger als das Vergangene und Bedingende. Um sich zu entfalten, ja überhaupt zu leben, müssen Menschen das Kommende betrachten.“
(Aus dem Vorwort von Wolfgang Christian Schneider)
In diesem Sinne schreibt Nico Graack in Auseinandersetzung mit Kant über „Die Absicht der Vernunft“. Stefan Waanders berichtet über sein Erleben in Prag, das ihm unwillkürlich im Zeitgenössischen das Vergangene aufbrechen ließ und ihm Selbstprüfung bedeutete, ihn zu Selbstverpflichtung führte und zur Forderung, entschieden für ein neues gemeinsames Verstehen von Europa einzutreten. Die Frage nach Europa greift Donald Loose auf: „Staatsbürgerschaft der Zukunft. Identität als Faktizität und Aufgabe“. Bérénice Palaric geht der deutschen humanistischen Tradition beispielhaft an den Haltungen von Ernst Troeltsch und Ernst Robert Curtius nach, während Johanna Hueck darüber nachdenkt, welcher Art ein Denken sein müsste, das sich in den ‚Horizonten des Suchens‘ fruchtbar bewegen kann: ein ‚nicht-spezialisiertes Denken‘, das die weitgehend abgeschlossenen Wissenssysteme in ein Gespräch mit einer offenen Gesellschaft führt.
Fabian Warislohner ergänzt im Rückgriff auf Günther Anders die moralischen Aspekte – wie mit einer zukunftsgerichteten Phantasie die Dynamiken der von uns angestoßenen (technischen) Prozesse einbezogen werden können. Den Versuch eines ‚bioethischen Imperativs‘ unternimmt Martin Bunte, um im Anschluss an Kant die Erfahrungen der unabdingbaren Einbettung des Menschen in die Natur mit dem menschenbezogenen Vernunftbegriff zu verbinden. Unter dem Titel „Die Stille der Natur“ umreißt Philipp Höfele die notwendig anzuerkennende Verschränktheit des menschlichen Tuns hinsichtlich des Technischen und Natürlichen im Einzelnen. Der Mensch müsse sich zurücknehmen, das ihn Umgebende anerkennen und auf dieses ‚hören‘ lernen. Demgegenüber betrachtet Hans Friesen die aufgegebene Neubesinnung des Menschen im sozial-kulturellen Bereich. Gerade auch in der weltumspannenden Mediengesellschaft stellt sich die Aufgabe, das genuin ‚Menschliche‘, eigentlich Menschlich-Natürliche, neu zu durchdenken, soll nicht der Mensch selbst verloren gehen.
Der gehaltvolle, auf die Zukunft des Menschseins gerichtete Band wird durch einige Buchbesprechungen abgerundet.
Der Band ist hier zu beziehen. (Noch ist er dort nicht gelistet.)