Der deutsche Kardinal Nikolaus von Kues (1401–1464) war nicht nur Theologe und Philosoph, sondern befasste sich auch mit Astronomie, Kartographie und Kosmologie und war so eine Schlüsselfigur des 15. Jahrhunderts. Im Gegensatz zur traditionellen mittelalterlichen aristotelischen Kosmologie entwickelte er das Konzept eines unendlichen Universums.
Was bedeutete der Begriff „Kosmologie“ damals? Und in welchem Sinne wurde das Universum als unendlich angesehen? Welcher Art waren die wissenschaftlichen und persönlichen Verbindungen des Cusaners zur Iberischen Halbinsel? Welche Rolle spielte er in der Wissenschaftsgeschichte der frühen Neuzeit, am Vorabend der europäischen Entdeckungsreisen in die Welt der Ozeane mit all ihren Folgen? Bot sein Werk eine Vorbereitung und einen Reflexionsrahmen für die Entdeckungen der Neuen Welt und deren Rezeption, die auch zu einer geistigen Erweiterung der christlichen Welt führte?
Diese Fragen wurden auf der internationalen Cusanus-Tagung „Universum Infinitum“ 2016 in Lissabon diskutiert, organisiert von Thomas Horst (CIUHCT/Faculdade de Ciências da Universidade de Lisboa, Portugal) in enger Zusammenarbeit mit Harald Schwaetzer und Matthias Vollet von der Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte. Die interdisziplinäre und vielsprachige Konferenz beleuchtete eine Vielzahl von Aspekten des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts – von zeitgenössischer Kartographie über kosmologischen Anschauungen bis hin zu humanistischen Philosophie, Theologie und Naturgeschichte.
Im einzelnen geht es um Nikolaus von Kues, sein kosmologisches Netzwerk und die sogenannte Cusanus-Karte (Thomas Horst), Cusanus und der Bergbau (Thomas Woelki), das unendliche Universum in den Schriften des Kuesers (Jean-Marie Nicolle), die Rolle der Mathematik in seiner Kosmologie (Gregor Nickel) sowie die deutsche Beteiligung an den überseeischen Expeditionen Portugals (Jürgen Pohle). Robert King fragt nach einer Entdeckung von Australien durch die Portugiesen, José Martínez Gázquez untersucht die Koran-Lektüre von Nikolaus und Davide Scotto den Blick der Humanisten auf die nichtchristlichen Völker in der „Neuen Welt“. Cristóvão S. Marinheiro geht der Rezeption der Jesuitenkommentare zu Aristoteles durch die Conimbricenses nach und ihrer Rolle beim Aufbau eines neuen Imago Mundi. Thomas Horst schließlich zeigt, dass der Globus, der in Cusanus’ Spätwerk Dialogus de ludo globi als philosophisches Spielzeug dient, als Figuration der Weltkugel im Sinne eines kosmologischen Instruments zu verstehen ist. Der letzte Beitrag von Samuel Gessner befasst sich mit dem Astrolabium, das angeblich einst dem Cusaner selbst gehörte und heute noch in Bernkastel-Kues aufbewahrt wird.
Der mit einem umfangreichen Bildteil ausgestattete Band mit den Tagungsbeiträgen ist nun im Aschendorff-Verlag erscheinen und kann in Kürze hier bezogen werden.