„Denn das Auge ist spiegelhaft und ein Spiegel.“
Nikolaus von Kues
Unter diesem Motto fand am 28. Januar ein Studientag zu De visione dei von Nikolaus von Kues (1401–1464) in der Katholischen Akademie Berlin statt. Unter den rund 70 Teilnehmenden, darunter ProfessorInnen wie PraktikerInnen, herrschte eine gute Atmosphäre. Am Beginn stand eine Bildbetrachtung von Barbara Baert, Kunsthistorikerin an der KU Leuven in Belgien, zur Darstellung des apokalyptischen Lammes au dem Genter Altar der Brüdern van Eyck. Es sei „ausgestattet mit einem fast menschlichen Blick wie dem des Menschensohnes selbst.“ So „konnte sich der zeitgenössische Betrachter im frontalen Blick des göttlichen Lamms spiegeln, und ja, nach all diesen Jahrhunderten auch Du und ich.“
Dann sprachen Inigo Broken (KU Leuven und Universität Nijmegen) über „De visione dei und die Frage nach einer visuellen Metaphysik“, Tilman Borsche (Universität Hildesheim) über „Der Mensch als freier lebendiger Spiegel Gottes“ und schließlich Kirstin Zeyer (Universität Oldenburg und PHILOSOPHISCHES SEMINAR) über „Gemeinsam gewonnene Erkenntnisse. Mitgeschöpflichkeit in De visione dei“.
Zeyer führte zunächst aus, wie Cusanus die Stellung des Menschen zwischen dem Göttlichen und der außermenschlichen Natur betrachtet, ausgehend von dieser seiner Bemerkung in De coniecturis: „Der Bereich der menschlichen Natur umfaßt in seiner menschlichen Möglichkeit Gott und das Weltall. Der Mensch kann also ein menschlicher Gott sein, und wie auf menschliche Weise Gott, so kann er auch ein menschlicher Engel, ein menschliches Tier, ein menschlicher Löwe oder Bär oder jedes andere sein. Innerhalb der Möglichkeit der menschlichen Natur existiert alles auf seine Weise.“ – Abschließend kam auch sie auf das Lamm des Genter Altars und die über ihm schwebende Taube zu sprechen: „Dass es ausgerechnet Lamm und Taube sind, die in van Eycks Genter Altar (1432) auf der Tafel der Verehrung der natürlichen seitlichen Stellung ihrer Augen beraubt sind, so dass sie ganz im Sinne des cusanischen Traktats De visione dei in der Kunstform von Allsehenden eine metaphysische oder semantische Ebene ans Licht bringen, ist dabei eine wundervolle Überraschung, die ihrerseits den Blick des Tieres als die Frage des Tieres zu lesen erlaubt.“