„Kritische Existenzphilosophie und christlicher Glaube“ – Buchpräsentation in Amsterdam

von | 02. Juni 2025 | Forschung, Allgemein

Am Montag, den 19. Mai 2025, fand an der Vrije Universiteit im Süden Amsterdams eine Buchpräsentation statt, genauer in der schwindelerregenden Höhe des 11. Stockes des Hauptgebäudes, in dem die Räumlichkeiten der Philosophie angesiedelt sind. Zu höheren Ehren kommen sollte dort die jüngst erschienene deutsche Übersetzung der Studie (und zugleich Dissertation) von Benjamin Breek (1913–1977) aus dem Jahr 1953, unter dem Titel: Kritische Existenzphilosophie und christlicher Glaube – Eine Studie über die ethischen und theologisch-philosophische Schriften von Heinrich Barth, Regensburg 2025 (Roderer). Ihr Herausgeber, der niederländische Theologe und Religionswissenschaftler Coban Menkveld, der die Studie eingeleitet, übersetzt und mit Kommentaren versehen hat, übergab das Buch im Rahmen der Feierstunde an den Gastgeber und Philosophieprofessor Christian Krijnen. Unter den Gästen befanden sich auch die Kinder von Breek, die das Übersetzungsprojekt begleitet und gefördert hatten.

Buchübergabe: Menkveld, Prof. Krijnen
Buchübergabe in Amsterdam: Coban Menkveld (li.), Prof. Dr. Christian Krijnen (Foto: Kirstin Zeyer)

Wie kommt es zu einer Präsentation eines Buches über Heinrich Barth, das noch zu seinen Lebzeiten entstand, ausgerechnet in Amsterdam?1 Diese Frage lässt sich leichter beantworten als die Frage nach einer möglichen persönlichen Begegnung von Breek und Barth, die vorerst offengelassen werden musste. Mit Christian Krijnen konnte Coban Menkveld nicht nur einen international ausgewiesenen Neukantianismus-Experten gewinnen, sondern einen Autor, der selbst zu Barth gearbeitet hat und seit seiner Gründung Ende 2013 dem wissenschaftlichen Beirat der Heinrich Barth-Gesellschaft angehört.

In seiner auf niederländisch gehaltenen Ansprache zeigte sich Krijnen darüber erfreut, dass die interessante Publikation des Religionsphilosophen Breek über Barth nun auch für die deutschsprachige Forschung zugänglich gemacht worden ist, was gut zu dem in Deutschland und der Schweiz – seit Gründung der Heinrich Barth-Gesellschaft im Jahr 1996 – zunehmenden Interesse an Barth passe. Wie sich mit Hilfe bereits zugesagter Buchbesprechungen in den Niederlanden (von Dr. Jacco Verburgt, der seine Dissertation über Heinrich Barths berühmten Bruder Karl vorgelegt hat, für die Filosofie-Tijdschrift und Prof. Dr. Edward van ’t Slot für In de Waagschaal) hoffentlich deutlicher zeigen werde, handele es sich bei Benjamin Breek außerdem um einen zu Unrecht vergessenen Denker: Zunächst von renommierten niederländischen Philosophen (Jan Sperna Weiland, Bernard Delfgauw und Herman Berger) beachtet und besprochen, geriet Breeks Dissertation schließlich für Jahrzehnte aus dem Blick. Angesichts der fundamentalphilosophischen Orientierung von Heinrich Barths Philosophie sei das besonders bedauerlich. Krijnen betonte aus der Teilnehmerperspektive an Vorträgen und Symposien über Barth, dass es sich ausnahmslos um Grundprobleme der Philosophie gehandelt habe – die Rolle und der Status einer philosophischen Anthropologie, der Wirklichkeitsbegriff, das System der Philosophie: „Barth ist ein Philosoph, der auf fundamentale Weise Grundprobleme der Philosophie thematisiert. Auf argumentativ fundierte Weise versucht er, die Gesamtheit des menschlichen Selbstverständnisses und unserer Welt darzustellen.“ Angesichts der Dominanz der analytischen und postmodernen Philosophie sei dies ein hoffnungsvolles Zeichen, dass in Zukunft auch in den Niederlanden noch echte Philosophie möglich sei.

Am Rande sei erwähnt, dass Philosophie an der VU Amsterdam seit Jahren auf Englisch studiert und gelehrt wird. Wie Krijnen, der sich mühelos sowohl in der niederländischen als auch in der deutschen Sprache bewegt, auf Nachfrage bekannte, führe dies mitunter dazu, dass Studierende aus Deutschland ‚ihren‘ Kant in Holland auf Englisch kennenlernen dürfen.

Coban Menkveld führte im Anschluss u.a. näher aus, wie es zur Wiederentdeckung der Dissertation von Breek kam. Hierbei war auch glücklicher Zufall im Spiel, als Inigo Bocken 2006 die Studie in der Bibliothek der Radboud-Universität Nijmegen mehr oder weniger in die Hände fiel, was wiederum dazu führte, dass Kirstin Zeyer im Bulletin der Heinrich Barth-Gesellschaft (Nr. 16 vom Mai 2008, S. 36–46) über einen bemerkenswerten Fund innerhalb der niederländischen Barth-Rezeption berichtete, wovon auch die Kinder Breeks Kenntnis bekamen. Inigo Bocken konnte an der Buchübergabe in Amsterdam leider nicht, wie mit Spannung erwartet, persönlich teilnehmen, allerdings wurde seine für das Bulletin (Nr. 14, 2025) vorgesehene, hoch ambitionierte Buchbesprechung von Breeks Studie vorgetragen, die im Anschluss für eine anregende Diskussion sorgte.

Abschließend kann auch der Zweifel, ob es sich bei Breeks Studie über Barth um eine philosophische Ausnahmeschrift handelt, ausgeräumt werden: Neben zahlreichen Beiträgen, die sich kontinuierlich in niederländischen theologischen und philosophischen Zeitschriften finden, harren bisher unveröffentlichte Beiträge – u.a. über Levinas, Buber und Rosenzweig, über Heidegger und Augustinus oder zur jüdischen Philosophie (unter Bezug auf Hermann Cohen) sowie eine umfangreichere Studie über Spinoza – ihrer Entdeckung und vervollständigen das Bild des Schaffens von Benjamin Breek.

1 Breek war übrigens geborener Amsterdamer, der nach seinem Theologiestudium in Utrecht von 1942 bis 1945 als Hilfsprediger im Amsterdamer Süden tätig war, bevor er 1946 als niederländisch-reformierter Pfarrer in der Provinz Zeeland wirkte und 1953 seine Dissertation über Barth in Groningen vorlegte. Das existentielle Ringen des Spätberufenen schlägt sich in seiner Konvertierung zum katholischen Glauben 1963 nieder. Von 1962 bis 1975 wirkte er als Philosoph und Lehrer für Pädagogik an der Katholischen Hochschule in Tilburg.