Newsletter Mai 2019

von | 10. Mai 2019 | Newsletter

Liebe Leserinnen und Leser,

mit diesem ersten Newsletter LEBENDIGE PHILOSOPHIE möchten wir beginnen, Sie regelmäßig über unsere Weiterbildungsangebote, aber auch über Fragen, Beobachtungen und Überlegungen zu informieren, die unsere Arbeit begleiten und inspirieren.

Wir blicken auf einen erfolgreichen ersten Praxis-Workshop am 9.4.2019 zurück und regen Sie mit einem philosophischen Blitzlicht zu eigenem Sinnen an.

Eine Weiterbildung für berufstätige Menschen mit dem Titel „Philosophie“ ist etwas Ungewöhnliches das ist uns bewusst. Sie ist etwas Neues, ja beinahe eine Provokation in unserer Gesellschaft, die fast ausschließlich auf schnelle Ergebnisse, materielle Bereicherung und Effizienzorientierung setzt.

Philosophie, so wurde auch in der Arbeit mit den TeilnehmerInnen des Workshops deutlich, braucht Verlangsamung. Sie braucht das Laboratorium des eigenen Bewusstseins, in dem die Prozesse von Erkenntnis und Denken wachsen können. Und diese wachsen langsam und nach ihren eigenen Gesetzen, wie ein Rosenstock, bis er Blüten trägt.

Die Entscheidung, diese Verlangsamung zu fördern, wird unsere Zukunft prägen auch die Zukunft von Unternehmen. Denn diese brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die „ihr eigener Skill werden wollen“, wie einer unserer Workshop-Teilnehmer es treffend ausdrückte. Da wir PhilosophInnen sind, setzen wir auf die Denkfähigkeit der Menschen, die mit uns zusammen eine (Unternehmens-)Welt wollen, die an Tiefe gewinnt und zu Selbsterkenntnis anregt und damit die Welt so gestaltet, dass wir alle auch die jungen Menschen in ihr leben wollen.

Wir laden Sie herzlich dazu ein mitzumachen!

Ihr Team von LEBENDIGE PHILOSOPHIE

Lydia Fechner, Paula Kühne Rendtorff, Harald Schwaetzer, Peter Dellbrügger

Impression aus einem Praxis-Workshop der Weiterbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE im Kloster Machern
Impression aus einem Praxis-Workshop der Weiterbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE im Kloster Machern

Rückblick: Vielfalt macht neugierig

Was nehmen wir eigentlich wirklich wahr, wenn wir die Welt betrachten? Was hat ein Musikstück von Bach mit Denken zu tun? Ist unser Erkennen eigentlich eine willkürliche Aneinanderreihung von Assoziationen und Gedankenfetzen, oder gibt es hier etwas zu entdecken, das eine gewisse innere Logik enthält? Wo stehen wir eigentlich heute mit unserer Art, die Welt zu sehen? Wie greifen wir unbewusst und ständig mit dieser Art zu sehen in unsere Mitwelt ein?

Am 9. April hatten wir alle am Weiterbildungsprogramm LEBENDIGE PHILOSOPHIE Interessierten zu einem ersten Praxis-Workshop ins Kloster Machern eingeladen. In vier Arbeitseinheiten – vorbereitet und durchgeführt von abwechselnd vier DozentInnen – gaben wir den 11 TeilnehmerInnen Einblick in eine aufeinander abgestimmte Vielfalt der Methoden und Inhalte. Musikalische Wahrnehmung, Bewusstsein und optische Phänomene, Denkbeobachtung sowie eine historische Überblicksvorlesung waren die Schwerpunkte. Die exemplarischen „Appetithäppchen“, so wurde im Feedback der TeilnehmerInnen deutlich, erlaubten es, auch in der kurzen Zeit Neugier und erste Erkenntniserlebnisse hervorzurufen.

Ein kurzer Einblick: In seiner philosophiehistorischen Vorlesung in der abschließenden Einheit zeigte Harald Schwaetzer, wie die Wirklichkeitsentfremdung des Denkens durch die Abgeschlossenheit im Raum der eigenen Vorstellungen ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert hat. Erst durch diese Erfahrung der Abgeschlossenheit des eigenen Bewusstseins von der Erfahrung der geistigen und sinnlichen Welt konnte eine moderne Naturwissenschaft entstehen. Und eine Geisteswissenschaft, die ohne gesellschaftliche Bedeutung ein zunehmend randständiges Dasein führt. Unsere Zeit ist hier nicht weiter, sie wiederholt die Fragen und Problemstellungen des vor-vorigen Jahrhunderts. Kann es heute wieder eine Zusammenführung von realer geistiger Erkenntnis oder auch der lebendigen Natur geben? Können wir durch neue Formen des Denkens und eine Vertiefung des Wahrnehmens wieder zurückfinden zur „Welt“? Das Stichwort Klimawandel ist nur ein Beispiel dafür, dass wir hier nicht mehr von einer schöngeistigen Freizeitbeschäftigung reden, sondern von einer Überlebensfrage. Oder wollen wir allein der weiteren Hochrüstung der technischen Intelligenz unsere Zukunft übergeben?

Unsere Intention ist es, durch die Weiterentwicklung und Kombinationen von klassischen Arbeitsmethoden der Philosophie (Textarbeit, Vorlesungen) mit innovativen Übungs- und Experimentierformen zu Themen wie Konzentration, Bewusstseinsphänomenologie und Wahrnehmungsschulung den Teilnehmern eine im Alltag handhabbare philosophische Lebenspraxis zu ermöglichen.

Am 4./5. Mai 2019 wird der nächste Workshop in Bernkastel-Kues stattfinden.

Denklicht – von Harald Schwaetzer

In dieser Rubrik möchten wir Sie zum Mitdenken einladen! Zitate von PhilosophInnen können uns anregen, selbst weiterzudenken.

„Das Sein des Menschen gewinnt in dem ‚Sein in der Entscheidung‘ seine grundlegende Bedeutung.“

Heinrich Barth

Häufig muss man sich im Leben nicht bewusst entscheiden; in einem guten Stammlokal nimmt einem der Kellner in stillschweigendem Wissen manches ab; auch die Verkehrsampel regelt einiges. Wir könnten auch über das Wetter reden. – Gleichwohl: Bei näherem Zusehen steckt dahinter auch eine Entscheidung: mich bestimmen zu lassen von außen. Wiewohl vielfach hilfreich, sinnvoll und gut, erweisen sich alle diese Vorgänge als eigene Entscheidungen; sie können nicht einfach nur auf ein „Außen“ zurückgeführt werden. – Damit tritt eine Schicht unseres Daseins in den Blick des Bewusstseins, die uns häufig verschlossen bleibt: Wer ist eigentlich das Ich, das da in mir entscheidet oder entscheiden lässt? – Wiederum auf den ersten Blick sieht es so aus, als führte uns diese Betrachtung auf ein jenseitiges, untergründiges, verborgendes, höheres, anderes … in uns. Doch wenn wir fragen, wo und wie es sich zeigt, so wird klar: in der je und je sich vollziehenden Entscheidung, im Hier und Jetzt des gelebten Augenblicks, in der Zeit und in der Welt – und nur dort. – Das eigentliche „Sein des Menschen“ scheint uns in ein „Innen“ zu führen, doch lehrt uns die Erfahrung sogleich, dass es in der konkreten Entscheidung seine grundlegende Bedeutung gewinnt. Dann bedeutet es nicht weniger, als dass das geistige Wesen meiner selbst als geistiges im alltäglichen Lebensvollzug und nur in ihm in die Erscheinung tritt. – Die Erfahrung eines geistigen Ichs ist keine Angelegenheit eines verborgenen spirituellen Erkennens, aber auch keine Gegebenheit im Außen, sondern das geistige Ich stellt sich als Tatsache in die Welt, es ist in der Entscheidung gleichsam eine mystische Tatsache. So gesehen, ist es von grundlegender Bedeutung.

Konzerteinführung: Amore! Hugo Wolf: Italienisches Liederbuch

Der Träger der Weiterbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE, die 2009 gegründete Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte, arbeitet zusammen mit dem Mosel Musik Festival. Die Reihe der „Ohrensessel“ genannten Konzerteinführungen, die bisher vor allem Prof. Harald Schwaetzer gestaltet hat, erfreut sich großer Beliebtheit. Im Rahmen dieser Kooperation wird Peter Dellbrügger am Donnerstag, 18. Juli 2019 um 18.30 Uhr im Ikonenmuseum des Kloster Machern eine Konzerteinführung geben. Anschließend kommt um 20 Uhr das Italienische Liederbuch von Hugo Wolf im Barocksaal des Klosters zur Aufführung. Das Besondere an diesem Konzert ist, dass das Liederbuch ungekürzt, also vollständig erklingt. Es singen die Sopranistin Carolina Ullrich (Sopran) und der Intendant des Festivals, Tobias Scharfenberger (Bariton), am Flügel begleitet von Marcelo Amaral.

Ansicht von Kloster Machern

Vorblick: Praxis-Workshop LEBENDIGES DENKEN am 4./5. Mai 2019

Am Samstag, den 4. (ganztägig) und Sonntag, den 5. (halbtägig) Mai 2019 findet der nächste Praxis-Workshop LEBENDIGES DENKEN im Kloster Machern (Bernkastel-Kues) statt. Er richtet sich an Interessierte und gibt einen Einblick in Arbeitsweisen und Inhalte sowie die Möglichkeit, das Team der Weiterbildung kennenzulernen. Gemeinsames Denken anhand eines ausgewählten philosophischen Textes, musikalische Übungen zum vertiefenden Hören, praktische Wahrnehmungsübungen sowie übersichtsartige Einblicke in die Philosophiegeschichte bilden den Inhalt des Workshops. Dieser ist ein in sich geschlossenes Format und unabhängig von der Weiterbildung.

Das Thema des nächsten Praxis-Workshops lautet: DENKKRAFT – SELBST DENKEN! Nähere Informationen und Anmeldemöglichkeiten finden Sie auf unserer Website.

Ab dem 1. Oktober beginnt die Weiterbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE: hier arbeiten wir zurzeit daran, dass die Weiterbildung in Bezug auf Dauer und Kosten für berufstätige Menschen möglichst gut mit dem Arbeitsalltag vereinbar ist. Mehr dazu erfahren Sie in Kürze in unserem nächsten Newsletter sowie auf unserer Website!

Weiterlesen: Mit Philosophie die Welt gestalten

Warum brauchen wir ein vertieftes Denken und Wahrnehmen, um heute gestaltend handlungsfähig zu sein? Lesen Sie in diesem Artikel von Paula Kühne Rendtorff weiter (erschienen in der Campyrus der Zeitschrift Die Drei, Ausgabe März 2019)!