Newsletter April 2020

von | 16. April 2020 | Newsletter

Liebe Leserinnen und Leser,

auch die Veranstaltungen der LEBENDIGEN PHILOSOPHIE müssen in der aktuellen Situation pausieren: Somit haben wir das dritte Seminar unserer Weiterbildung verschoben, das Ende März in Bernkastel-Kues stattgefunden hätte. 

Doch ist vielleicht eine positive Seite dieser Situation, dass viele Menschen mehr Zeit für Tätigkeiten finden, die sonst zu kurz kommen: zum Beispiel für das Lesen und Sich-Beschäftigen mit philosophischen Gedanken. 

Falls Ihnen hier noch eine Lektüre für die Tage zuhause fehlt, hier ein Buchtipp: Wir freuen uns sehr, Ihnen das WERDEBUCH 1 – DENKWANDERUNG ZUR SELBSTERKENNTNIS, nun erhältlich im Aschendorff-Verlag (Münster), vorzustellen. Es ist aus einer Zusammenarbeit zwischen Wolfgang Gutberlet, Johanna Hueck, Lydia Fechner und Harald Schwaetzer entstanden. Hier auf der Website des Aschendorffs Verlag können Sie es seit Kurzem erwerben.

In Kurzinterview mit den Autorinnen und Autoren erfahren Sie, warum und wie das Werdebuch entstanden ist und erhalten einen ersten Einblick, was Sie bei der Lektüre des Buchs erwartet.

Das tätige Denken der LEBENDIGEN PHILOSOPHIE lässt sich natürlich auch sonst von keinem äußeren Hindernis abhalten: Der zweite Beitrag in diesem Newsletter ist ein Denklicht von Lydia Fechner zu der Idee der Freiheit der Philosophen Hölderlin, Schelling und Hegel.

Eine vergnügliche Lektüre und viel Spaß beim Denken und Vertiefen

wünscht Ihnen Ihr Team der LEBENDIGEN PHILOSOPHIE

Lydia Fechner, Paula Kühne, Harald Schwaetzer, Peter Dellbrügger

Ein philosophischer Begleiter für die Persönlichkeitsentwicklung

Das „Werde-Buch 1“ – eine „Denkwanderung zur Selbsterkenntnis“ ist jetzt im Aschendorff Verlag erhältlich. Im Mittelpunkt des Buchs steht die Frage nach unserem Bild vom Menschen und die philosophische Suche nach ihm. Was das AutorInnen-Quartett Lydia Fechner, Wolfgang Gutberlet, Johanna Hueck und Harald Schwaetzer dazu bewogen hat, ein solches Arbeitsbuch für die Ausbildung des Denkens zu schreiben, verraten sie Ihnen im folgenden Gespräch. Die Fragen stellte Paula Kühne (PK).

PK: Alles Philosophieren beginnt mit dem Fragen. Die erste Frage an Sie vier lautet deshalb: Wieso brauchen wir heute ein philosophisches Werde-Buch und für wen haben Sie es geschrieben?

Wolfgang Gutberlet: Wir spüren die Unsicherheit der Menschen. Sie führt zur Neigung zu verharren. Die Dinge einfach anhalten geht aber nicht. Nur Werden erhält. Denken ist eine Werdekraft, wenn wir es üben. Wir brauchen lebendiges Denken, ohne uns auf Ideologien abzustützen. 

PK: Warum trägt Ihr Buch den Titel „Werde-Buch“?

Wolfgang Gutberlet: Weil wir dieses Werden unterstützen und gründen wollen auf lebendiges Denken. Die Selbsterkenntnis ist nicht nur der beste Weg zur Besserung, sondern der einzig richtige. 

PK: Neben dem Denken spielt im Werde-Buch die Wahrnehmung eine ebenso wichtige Rolle. Was haben Denken und Wahrnehmen miteinander zu tun und warum sind beide wichtig für die Selbsterkenntnis?

Johanna Hueck: Das Werde-Buch stellt die Frage, wie wir zu einem lebendigen Menschenbild gelangen, das den Menschen als sich entwickelndes Wesen fasst. Die Frage nimmt ihren Ausgangspunkt bei den Vorstellungen über den Menschen, die wir uns bereits gebildet haben und lädt dazu ein, diese zu hinterfragen, in Bewegung zu bringen und in einem Erkenntnisvollzug neu zu bilden. 

Erkenntnis vollzieht sich im Zusammenspiel von Wahrnehmung und Denken. Die Wahrnehmung regt das Denken dazu an, sich in Bewegung zu setzen, sich an das Wahrgenommene anzuschmiegen, sich zu verlebendigen. Deswegen ist die Wachheit in der Wahrnehmung meiner selbst und der anderen Menschen für das Erüben eines lebendigen Denkens entscheidend. Im Werde-Buch regen wir mit vielen Übungen für den Alltag dazu an, Denken und Wahrnehmung zu schulen.

PK: Bitte beschreiben Sie zuletzt noch den Prozess, aus dem das Werde-Buch hervorgegangen ist. Welche Bedeutung spielte dafür das gemeinsame Denken?

Lydia Fechner: Ich glaube, die allererste Idee dazu kam von Wolfgang Gutberlet; alles weitere ist aus gemeinsamen Gesprächen hervorgegangen. Uns allen war es wichtig, das Grundanliegen eines geistig getragenen Menschenbildes neu zu formulieren, so dass es jeder Mensch – jenseits von weltanschaulichen Vorstellungen – verstehen kann, der sein Denken in Bewegung bringen will. 

Ein echtes Gespräch führt immer auch zu gemeinsamen Einsichten, die das Denken voraussetzen. So konnte das Buch auch mühelos aus verschiedener Feder fließen, und trotzdem aus einem Guss und – hoffentlich – lebendig erscheinen.

Denklicht: Die Radikalität der Klassiker – das älteste Systemprogramm des Deutschen Idealismus
von Lydia Fechner

„Die Idee der Menschheit voran, will ich zeigen, daß es keine Idee vom Staat gibt, weil der Staat etwas Mechanisches ist, so wenig als es eine Idee von einer Maschine gibt. Nur was Gegenstand der Freiheit ist, heißt Idee. Wir müssen also auch über den Staat hinaus!  – Denn jeder Staat muß freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln; u. das soll er nicht; also soll er aufhören.“

Aus dem sogenannten „Ältesten Systemprogramms“ von Hölderlin, Schelling und Hegel.

Der Ausschnitt aus dem 1796/97 entstandenen Text mag besonders in heutigen Zeiten verblüffen: Er ist gemeinsam verfasst von den geschätzten Klassikern des Deutschen Idealismus: Hölderlin, Schelling und Hegel.

Die radikale Staatskritik geht aus von einer Idee der Menschheit, die mit der Idee der Freiheit untrennbar verbunden ist. Was wie die Mechanik einer Uhr aus einzelnen Teilen besteht, die einer reinen Zweckvorstellung gehorchen, kann aus Sicht der Autoren nicht mit dem Begriff der Idee gewürdigt werden. In die gleiche Kategorie fällt hier der Staat. Die Idee der Menschheit realisiert sich in der Freiheit der Einzelnen. Nur aus ihr geht alles Gemeinschaftliche hervor. 

Die drei Philosophen spitzen damit zu, was ihr Freund und Kollege Wilhelm von Humboldt in seinen „Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“ kurz zuvor (1792) formuliert hatte: Nur solange ein Staat seine Funktion auf die Förderung der Freiheit begrenzt, hat er eine Legitimation. Denn sonst behandelt er Menschen wie „Räderwerk“, d.h. wie austauschbare Teile eines Ganzen, wie der Text in Aufnahme eines Bildes aus Schillers „Ästhetischen Briefen“ sagt. 

Ein solcher Staat veräußerlicht und funktionalisiert den Menschen um einer Zweckrationalität willen, die außerhalb seiner individuellen Motive liegt: Heute würden wir vielleicht verweisen auf die Vorherrschaft des Wirtschaftlichen; auf Gesetze, die unbeweglich sind oder die Macht einzelner Interessengruppen einseitig berücksichtigen; auf Bildung, die bestimmte Inhalte vorgibt statt freie Menschen als höchstes Ziel zu haben usw.

Der Blick auf eine überraschende, aber breit verankerte These unserer sogenannten „Klassiker“ ist sicherlich zu kurz, reicht aber hin, einmal wieder darauf hinzuweisen, was vor über 200 Jahren Philosophen aus nicht unbegründeten Einsichten heraus zu denken wagten. Damals gab es noch Fürsten, die die Kleinstaaten auf ungeeintem Territorium regierten. Würden wir uns heute trauen, in einer freiheitlichen Demokratie diese Ansichten zu vertreten?

PS: Der gesamte Text des „Ältesten Systemprogramms“ findet sich unter dem oben genannten Titel im Internet.

Melden Sie sich jetzt an für den nächsten Jahrgang LEBENDIGE PHILOSOPHIE

15 Menschen aus verschiedensten Berufsfeldern haben sich im Dezember 2019 in die neu entwickelte Weiterbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE eingefunden, um gemeinsam lebendiges Denken und Wahrnehmen zu üben – und diese Fähigkeiten in ihre Organisationen und Arbeitsfelder zurückzutragen. Seitdem haben zwei lebhafte Seminare in unseren Räumen des Kloster Macherns in Bernkastel-Kues stattgefunden, in denen sich gezeigt hat: LEBENDIGE PHILOSOPHIE bewegt! 

Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichten, wie die Arbeit mit philosophischen Gedanken zu unserer Gegenwart und Vergangenheit, das gemeinsame Üben der Wahrnehmung an Musik und Phänomenen unserer Umwelt sowie das differenzierte Betrachten des eigenen bewussten Denkens den Horizont eröffnen für eine ganz individuelle Persönlichkeitsentwicklung. 

Auf die Frage Was nehme ich aus der Weiterbildung „Lebendige Philosophie“ mit in den Alltag? antwortete Beatrix Greifeld, eine unserer Teilnehmerinnen aus dem ersten Jahrgang:

„…das Bewusstsein, dass gute Führung nicht nur darin besteht, möglichst viele Führungsinstrumente zu kennen und anzuwenden, sondern darin, zunächst ein Umfeld zu schaffen, in dem Menschen aneinander und miteinander wachsen können, in dem ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten erkannt und geachtet werden. Wenn auf diesem Nährboden bekannte Führungsinstrumente verantwortungsvoll angewendet werden, entsteht kreative Führung, die dem Ganzen dient und Strahlkraft hat.“

Beatrix Greifeld, Betriebswirtschaftliche Leitung und Mitglied der Klinikleitung, Filderklinik gGmbH in Filderstadt-Bonlanden

Die einjährige Grundausbildung kann in einer Aufbauausbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE ab Oktober 2020 fortgesetzt werden. Die Voraussetzung für die Teilnahme am zweiten Jahr ist die abgeschlossene Grundausbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE.

In unserer Online-Broschüre finden Sie alle Infos zur Weiterbildung. Aktuelles und immer neue Blog-Einträge können Sie auf unserer Website entdecken. Sprechen Sie uns bei Fragen jederzeit gerne an!