Newsletter Juli 2021

von | 16. Juli 2021 | Newsletter

Liebe Leserinnen und Leser,

vor der Sommerpause möchten wir Sie zu einem Rückblick auf ein ereignisreiches Sommersemester am Philosophischen Seminar einladen: 

Sie erfahren Neues von unserer Weiterbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE, die ab Oktober diesen Jahres bereits in die dritte Runde geht. Zudem empfehlen wir Ihnen eine Lektüre für die Sommerzeit: Seit Kurzem ist das WERDEBUCH 2 im Handel erhältlich, das an das erste mit dem Thema der Gemeinschaftsbildung anschließt.

Ein reges Semester mit vielen Seminaren fand auch für die Studiengangsinitiative „Selbstbestimmt studieren“ statt, die zur Anmeldung für den neuen Jahrgang ab Herbst 2021 einlädt.

Neben einem Einblick in die aktuellen Forschungstätigkeiten lesen Sie zuletzt vom kürzlich stattgefunden Aristoteles-Seminar im Kloster Machern.

Wir freuen uns über Ihre Rückmeldungen, Fragen und Anregungen!

Eine anregende Lektüre sowie einen schönen Sommer
wünscht Ihnen

Ihr Team vom
Philosophischen Seminar 
An der Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte

Die Weiterbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE geht ins dritte Jahr: Jetzt bewerben!

Für die Weiterbildung „LEBENDIGE PHILOSOPHIE – Denken für Organisationen von morgen“, die an sechs Wochenende im Jahr, beginnend im Oktober, stattfindet, kann man sich von nun an bewerben. Schreiben Sie hierzu an Lydia Fechner, .

Das Programm richtet sich an Menschen in Leitungspositionen von Unternehmen und Organisationen, die ihre Fähigkeiten in Denken und Wahrnehmen ausbilden möchten, aber auch an andere Menschen, die eine durch Philosophie vertiefte Persönlichkeitsbildung interessant finden. 

Die praktischen und künstlerischen Übungen werden auf der Basis einer philosophiegeschichtlichen Reise durch die sich wandelnde Bewusstseinsformen mitteleuropäischer Geistesentwicklung durchgeführt. Texte und Vorträge vermitteln die hierzu nötigen Grundlagen. Historische Bewegungen, Einsichten und Entscheidungen werden so zum Inspirationsquell für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit.

Die Termine für das kommende Jahr und viele weitere Informationen finden sich hier.

 

Infoabend zur Weiterbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE in Stuttgart

Am 9. Juli 2021 haben Peter Dellbrügger, Lydia Fechner und Fabian Warislohner einen Infoabend in Stuttgart durchgeführt, an dem ein Dutzend Interessierte mit unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen teilgenommen haben. 

Dabei wurden zunächst Entwicklung und Grundidee der Weiterbildung erläutert, sodann die vier Bereiche Philosophiegeschichte, Denk- und Wahrnehmungsvertiefung und musikalische Übungen und ihr Zusammenspiel in den Mittelpunkt gestellt. 

Ein weiterer Infoabend für Spätentschlossene ist am Freitag, den 24. September um 19 Uhr im Evangelischen Tagungszentrum Birkach geplant. Wir bitten um Anmeldung bei Beatrice Essig: .

Das WERDEBUCH 2 ist erschienen

Nach dem „Denkweg zur Selbsterkenntnis“, den das Werdebuch 1 mit den Leserinnen und Lesern gegangen ist, ist nun das Werdebuch 2 zum aktuellen Thema der Gemeinschaftsbildung erschienen. Mit dem Untertitel „Ich und Wir. Polarität und Steigerung“ lädt das Autorenteam zur Entdeckung und klaren Abgrenzung der verschiedenen Formen von Gemeinschaft ein und versucht, daraus einen zeitgemäßen Begriff zu entwickeln, der auf einer selbstbestimmten, geistigen Individualität gründet. 

Individuelle Impulse und das Leben mit und in Gemeinschaften müssen sich nicht widersprechen, sondern können sich zu einer Lebensform steigern, die den Menschen als Einzelwesen in Gemeinschaft erst zu seiner vollen Entwicklung und zu sich selbst kommen lässt.

Unter www.werdebuch.org können beide Bücher kostenlos heruntergeladen werden; dort findet sich auch der Link zum Aschendorff Buchverlag, wo das Buch als Druckexemplar zu erwerben ist.

Neues von der Studiengangsinitiative „Selbstbestimmt studieren“

Die Studiengangsinitiative „Selbstbestimmt Studieren“ ist im vergangenen Oktober um einen zweiten Jahrgang auf 23 Studierende gewachsen. Die Herausforderungen des letzten Jahres haben uns durchaus in Atem gehalten: Die Einarbeitung und Integration neuer Menschen ins Projekt, die internen Prozesse zur Entwicklung des Studiengangs, die Corona-Verordnungen, die Kooperationsgespräche mit den Hochschulen und das Fundraising. Da war es hilfreich, dass wir im Zukunftsdorf Sonnerden mit dem Anmieten eines Seminargebäudes eine stabilere Heimat für das Projekt gefunden haben, an dem im vergangenen Jahr ein Teil der 30 Seminarblöcke durchgeführt werden konnten. 

Der Großteil der Seminare wurde von Lehrenden aus dem Umkreis der Kueser Akademie bestritten (Johanna Hueck, Fabian Warislohner, Harald Schwaetzer, Lydia Fechner, Tilman Borsche, Salvatore Lavecchia, André Bleicher). Weitere externe Dozierende werden über Lehraufträge hinzugewonnen. Das Sommersemester haben wir erstmals mit einer Vollversammlung beginnen können, bei der mit allen Studierenden und Lehrenden die Inhalte der folgenden Semester geplant wurden. 

Für Oktober 2021 steht der Studienstart eines dritten Jahrganges an, für den es bereits interessierte Menschen und Bewerbungen gibt.

Online-Kennenlernabend: 26.9.2021 von 17:30–19:00 Uhr.

Anmeldung unter: .

Aktuelles aus der Forschung

Seit 2019 erscheint die „Internationale Zeitschrift für Kulturkomparatistik“ (IZfK). Ihr Ziel ist es, Kulturvergleich auch im Sinne eines historischen Vergleichs von Epochen, aber auch unterschiedlicher Bewusstseinsformen durchzuführen. Sie legt damit einen Begriff von Kultur zugrunde, der die pflegenden, prägenden und schaffenden Tätigkeiten der Menschen und ihrer Ergebnisse umfasst. Kultur wird darüber hinaus nicht nur auf Geistesprodukte im engeren Sinne bezogen, sondern auch auf die mit dem Menschsein verwobene Natur. So versucht sie eine bewusstseinsgeschichtliche Verständigung des kulturellen Bewusstseins mit sich selbst für die Gegenwart.

Die Zeitschrift ist online unter https://izfk.uni-trier.de frei zugänglich. Geschäftsführende Herausgegeberin ist Prof. Dr. Henrieke Stahl (Trier), 2. Vorsitzende der „Kueser Akademie“ und Kooperationspartnerin des Philosophischen Seminars. Prof. Dr. Harald Schwaetzer (Bernkastel-Kues/Biberach) ist Mitherausgeber. Im „Editorial Board“ arbeiten u.a. Prof. Gianluca Cuozzo (Turin) und Prof. Dr. Inigo Bocken (Nijmegen) mit, beide ebenfalls Kooperationspartner des Seminars.

Nach dem 2019 erschienen 1. Band der IZfK zum Thema „Lyrik und Erkenntnis“, herausgegeben von Prof. Dr. Ralph Müller (Fribourg) und Friederike Reents (Trier) und mit Beiträgen u.a. von Prof. Dr. Tilman Borsche (Hildesheim) und Harald Schwaetzer, sind 2021 nun zwei weitere Ausgaben erschienen: „Kunst und Technik bei Nikolaus von Kues“ (Bd. 2) mit Beiträgen u.a. von Gianluca Cuozzo, Prof. Dr. Wolfgang Christian Schneider (Hildesheim), PD Dr. Kirstin Zeyer (Trier), Claudia D’Amico (Buenos Aires) und Harald Schwaetzer, wobei die beiden letztgenannten auch die Herausgeber des Bandes sind. Es handelt sich um Beiträge für eine aus der Zusammenarbeit verschiedener nationaler Cusanus-Gesellschaften (Brasilien, Italien, Japan, Niederlande, Deutschland) heraus konzipierte Tagung, die im März 2020 in Buenos Aires aufgrund der Pandemie nicht hat stattfinden können. – Als Band 3 erschien soeben „Contemporary Lyric Poetry in Transitions between Genres and Media“, herausgegeben von Henrieke Stahl gemeinsam mit Ralph Müller.

„De anima“: Aristoteles-Seminar im Kloster Machern
Von Simeon Guttenhöfer

Umgeben von russischen Ikonen im Museum des Klosters Machern haben wir uns im Juni nach langer Zeit wieder in größerer Zahl treffen können – mit 15 zum Teil auch zum ersten Mal dort anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern rätselten wir an der Psychologie des Aristoteles. Wir versuchten eine ,Exkursion‘ durch die ersten sechs Kapitel des dritten Buches der Schriften „Über die Seele“, eine ,historia‘ – wie Aristoteles selbst sein Vorgehen nennt – durch die Entwicklung der Seele: vom Sinneseindruck bis zur Ideenerkenntnis. 

Nimmt man Aristoteles ersten Satz des ersten Buches ernst, könnte man diese auch als die Entwicklung des Ideenerkenntnisvorganges (,eidesis‘) selbst bezeichnen, seines Weges durch die seelischen Vermögen hindurch. Schon im Sinnesvorgang fände sich dann die ganze eidesis, erwachte aber erst stufenweise zur Wirklichkeit: in Wahrnehmung, Vorstellung, Meinung, Glaube und zuletzt im Wissen. Ziel und Anlass für diesen umständlichen Weg scheint der Zusammenschluss von theoria und gnosis zu sein, des anschauenden und des wissenden Teils des Geistes. Darin sucht Aristoteles einen bruchlosen Übergang zwischen den von ihm zuvor angelegten Wissenschaften der Physik über das lebendig Materielle (physis) einerseits und der Ethik über das wesentlich Wirkende (ousia) andererseits. 

Wenn zugleich das Wesenhafte gesucht wird in der Materie und das Materielle gesucht wird im Wesen, entsteht eine neue Wissenschaft, ein Anschauen des Geistes, welches genauso ein Denken des Angeschauten ist. Ihr Gegenstand ist die sich vollziehende Idee – und das ist die Seele. So wird die Idee verstanden als im Geist erscheinende und seiende zugleich. Dafür trägt Aristoteles den Begriff der Möglichkeit (dynamis) in den Bereich des Seins der Ideen und den Begriff der Wirklichkeit (energeia) in den Bereich des Scheins der Sinnenwelt. 

Die denkende Seele ist dieser Bereich in beiden Fällen, sowohl ein Ort des sinnlichen Geschehens als auch ein Ort der sich in ihr bestimmenden Ideen. In ihr verwandelt sich der Geist aus seinen Möglichkeiten durch ihre Vermögen zu immer größerer Wirklichkeit, indem sie einen eigenen Raum schafft, in welchem und aus dem heraus Wirkung entsteht. Dazu braucht sie Anlässe: wahrzunehmen, vorzustellen, Überzeugungen zu bilden – und solche Anlässe gaben wir uns neben der Lektürearbeit wiederholt mit Übungen, in denen wir diese verschiedenen seelischen Tätigkeiten versuchten möglichst qualitativ zu beobachten und zu unterscheiden. Dabei konnte deutlich werden, wie eine so genaue Unterscheidung, wie sie Aristoteles macht, fruchtbar werden kann für ein tieferes Selbstverstehen.