Newsletter Juli 2022

von | 05. Juli 2022 | Newsletter

Vincent van Gogh: Grüne Kornhalme, Arles, Juni 1888

Liebe Leserinnen und Leser,

während der Sommer seinen Höhepunkt erreicht, neigt sich das Semester dem Ende zu. Seit Erscheinen des letzten Newsletters Anfang April fanden im Rahmen und unter Mitwirkung des PHILOSOPHISCHEN SEMINARS eine Reihe von Veranstaltungen statt und konnten manche Arbeitsfrüchte in Form von Publikationen geerntet werden, über die hier berichtet wird.

In seinem Vortrag auf der Turiner Tagung „Immaginazione – Tecnica – Responsabilità. Rinascimento e nuovi umanesimi” brachte Harald Schwaetzer auf den Punkt, was der Laie im cusanischen Sinne – also jeder Mensch – den Krisen der Gegenwart entgegensetzen kann: 

– Unsere Vorstellungskraft muss moralisch kreativ werden, damit wieder gelebte und gesundende Sinnzusammenhänge (statt zerrissener Einzelteile und Fragmente) das Leben der Erde gestalten.

 – In einer aktiv erzeugten und erzeugenden Selbst- und Welterkenntnis kann die Übergangswahrnehmung und Übergangsgestaltung zwischen Ereignissen gebildet und erfahren werden (anstatt sie medial aufbereitet vorgesetzt zu erhalten). Erst durch diesen lebendigen geistigen Selbstvollzug übernimmt der Einzelne wirklich Verantwortung.

– Technik kann der Mensch so umformen, ihr ein menschliches Maß gebend, dass sie durchlässig wird für geistige menschliche (und nicht transhumanistische) Schöpfungsprozesse.

Solchen Zielen ist auch die WEITERBILDUNG verpflichtet, die im Herbst einen Neustart wagt, nachdem sie in den vergangenen beiden Jahren pandemiebedingt nur unter Einschränkungen stattfinden konnte.

Wir wünschen Ihnen (und uns) mit dieser Lektüre eine erholsame Sommerzeit ohne allzu extreme Wetterereignisse! Wie immer freuen wir uns über Ihre Rückmeldungen, Fragen und Anregungen.


Ihr Team vom
Philosophischen Seminar und der Lebendigen Philosophie

Paul Klee: Pfeil im Garten, 1929

Jetzt anmelden: LEBENDIGE PHILOSOPHIE – Wahrnehmen, Orientieren, Entscheiden.

Neuer Jahrgang der Weiterbildung beginnt im Oktober!

Selbstentwicklung und Fähigkeitsbildung sind angesichts unserer mit „unübersichtlich“ noch wohlwollend umschriebenen Zeitlage mehr denn je gefragt, um den immer existentielleren Bedürfnissen nach Sinngebung und (Selbst-)Orientierung nachzukommen. Im ersten Jahr der Weiterbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE werden Grundlagen dafür gelegt.

Aus den positiven Erfahrungen mit den beiden ersten Jahrgängen wurde das Profil der Weiterbildung nochmals geschärft. Anliegen ist es, konkrete Impulse für die Persönlichkeitsentwicklung zu geben, die sich nicht nur auf das Berufsleben beschränken: Der ganze Mensch ist mehr denn je gefragt. Die eigene, methodisch bewusst vollzogene Wahrnehmung will geschärft und Organ fürs Erkennen werden – durch den Umgang mit Texten, bei Bildbetrachtungen oder durch einfache musikalische Übungen. Sie ist eine Voraussetzung für(Selbst-)Orientierung. Diese wiederum hat Lebensbedingungen, die bewusstgemacht, geschaffen und gepflegt werden können. Um entscheidungs- und urteilsfähig zu werden, bedarf es einer eigenständigen Grundorientierung und eines verantwortlichen selbständigen Denkens und Erkennens.

Die praktischen und künstlerischen Übungen im Rahmen der sechs Wochenendseminare zwischen Oktober 2022 und Juni 2023 werden auf der Basis einer philosophiegeschichtlichen Reise durch die sich wandelnden Bewusstseinsformen mitteleuropäischer Geistesentwicklung durchgeführt. Geistesgegenwart durch Geistesgeschichte! Texte und Vorträge vermitteln die hierzu nötigen Grundlagen. Historische Bewegungen, Einsichten und Entscheidungen werden so zum Inspirationsquell für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit.

Ein Teilnehmer der ersten Stunde brachte es auf den Punkt: „Der wesentlichste Ansatz des Seminars ist für mich, dass ich keine weiteren Werkzeuge und Methoden kennen lerne, sondern dass ich den Wahrnehmungs- und Denkprozess an sich trainiere. Ich bekomme also keine neuen Tools in meine vollgestopfte Werkzeugsammlung, sondern lerne endlich einmal grundsätzlich selber zu denken.“

Das ist anspruchsvoll, setzt aber keinerlei philosophische Vorbildung oder akademisches Wissen voraus. Gefragt ist die Bereitschaft, sich unbefangen auf Übungen, Texte und andere Menschen einzulassen, sich dabei selbst zu reflektieren, mit Rückmeldungen von Anderen produktiv umgehen zu können und die Inhalte der Weiterbildung experimentell im eigenen (Berufs-)Leben zu erproben. Berufserfahrung ist dabei von Vorteil.

Das Programm richtet sich an Menschen, die sich weiterentwickeln wollen, die ihre Fähigkeiten in Denken und Wahrnehmen ausbilden möchten, sowie an Menschen, die eine durch Philosophie vertiefte Persönlichkeitsbildung interessant finden.

Erfreulich ist, dass viele der Teilnehmenden aus den ersten beiden Grundjahren sich entschieden haben, weiterzumachen, so dass mit dem neuen dritten Grundjahr ab Oktober drei parallele Jahrgänge existieren. Alle Seminare der Weiterbildung sollen im Studienzentrum Haus Birkach bei Stuttgart stattfinden.

An das Grundjahr können sich ein Aufbaujahr und ein Vertiefungsjahr anschließen.

Nähere Informationen auch zu Terminen und Kosten der Weiterbildung finden sich stets aktuell auf www.lebendigephilosophie.de. Dort finden sich auch inhaltliche Einblicke. Es gibt freie Plätze, Anmeldungen sind noch möglich! Leiten Sie diese Information gerne weiter an potentiell Interessierte. Bei allen Fragen zu Inhalten und zur Anmeldung für die einjährige Grundausbildung LEBENDIGE PHILOSOPHIE können Sie Peter Dellbrügger kontaktieren:

Ms. Tours, Bibl. mun., 679, f.58v (c) IRHT-CNRS

LECTIO CUSANA III: Gespräch über das ursprüngliche Werden

Von 15. Juni bis 17. Juni 2022 fand die dritte Lectio Cusana in Kloster Machern statt. Diese gehörte planmäßig noch dem vergangenen Wintersemester an, musste allerdings pandemiebedingt auf diesen Termin verlegt werden. 

Die Lectio Cusana III befasste sich mit der Schrift „Dialogus de genesi / Gespräch über das ursprüngliche Werden“, welche Nikolaus von Kues 1447 verfasste und sich bei den opuscula, den kleineren Schriften verorten lässt. Teilnehmende waren Studierende und Promovierende der Philosophie, Philologie und Theologie, welche sich von verschiedenen Studienorten an der Mosel versammelten. 

Nach einer Vorstellungsrunde durch Kurzpräsentationen unterschiedlicher Aspekte des 15. Jahrhunderts von Seiten der Teilnehmenden wurde zunächst das erste Kapitel der Schrift intensiv betrachtet. Hierbei stand insbesondere die literarische Inszenierung der Gesprächssituation mit der Bitte Conrads an Nikolaus, ihm bereits bekannte philosophische Zugänge zur „Genesis“ der irdischen Dinge durch variatio zu erhellen, im Mittelpunkt. Cusanus führt im Gespräch mit Conrad einige Bilder zur unterschiedlichen Betrachtung des Schöpfungsvorgangs an, so beispielsweise den Glasbläser, welcher durch seinen Hauch eine Form hervorbringt, wie der göttliche spiritus die geschaffenen Dinge formt.

Der zentralen These der Schrift, dass das Selbe Selbiges bewirkt (idem identificat), wurde im Kontext der cusanischen Philosophie auf den Grund gegangen. Ebenso wurde die Aktualität des Textes diskutiert. Durch den Blick in den lateinischen Originaltext und dessen Analyse konnten die philosophischen und theologischen Thesen des Cusanus präzise nachvollzogen werden. So gelang im Rahmen der Lectio eine Synthese von lateinischer Lektüre und philosophischer Diskussion, zu welcher sich die Teilnehmenden durch Prof. Tilman Borsche umfassend anregen ließen. 

Katharina Stefaniw, Tübingen

Tagungen in Turin und Frankfurt/M.

Im Rahmen der vom Schwerpunkt Romantikforschung der Universität Frankfurt/M. vom 7.-9 Juli 2022 veranstalteten Tagung „Wasser – Landschaften: Ökologien des Fluiden um 1800“ hält Johanna Hueck einen Vortrag zum Thema „Das Flüssige als Werk-Stoff des Lebendigen. Franz von Baaders naturphilosophische Erkundungen des Fluiden“.

Vom 8.-10. Juni 2022 fand in Turin die Tagung „Immaginazione – Tecnica – Responsabilità. Rinascimento e nuovi umanesimi” statt. Das Philosophischen Seminar der Kueser Akademie, vertreten durch Harald Schwaetzer, war Mitveranstalter der Tagung. Als Vortragende waren Harald Schwaetzer („Weisheit bilden, Verantwortung üben, Kunst können – die cusanische Laienphilosophie der Gegenwart“), Tilman Borsche („Die drei Gesichter des Idiota bei Nikolaus von Kues: Verantwortung, Imagination, Technik“) und Elena Filippi („Europa, i suoi boschi, e i tormenti della traduzione: appunti sulla dialettica Nord/Sud intorno a Dürer“) dabei.

Neuerscheinungen

Existenz und Freiheit: Karl Jaspers, Hannah Arendt und Heinrich Barth zur Freiheitslehre Augustins 

Kaum ein Thema verbindet das Denken der Zeitgenossen Karl Jaspers, Hannah Arendt und Heinrich Barth so prägnant wie ihr je eigener, engagierter Umgang mit der Philosophiegeschichte. Nicht nur für Jaspers spielte Augustinus in der Ausbildung seiner Existenzphilosophie eine wesentliche Rolle, auch seine Schülerin Hannah Arendt begann ihren denkerischen Werdegang mit einer Arbeit zum Liebesbegriff bei Augustin. In seiner Darstellung der Augustinischen Philosophie verweist Jaspers sowohl auf die Dissertation von Arendt als auch auf die Augustinus-Monographie seines Kollegen Heinrich Barth, die dieser zwei Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten vorgelegt hat. Darin nimmt Barth eine gründliche Auslegung der Freiheitsthematik bei Augustin vor. Insofern bildet die Freiheitslehre Augustins einen gemeinsamen thematischen Mittelpunkt für Jaspers, Arendt und Barth.

Bei allen dreien steht die Erfahrung des Ersten Weltkriegs im Hintergrund. Die in ihm entfesselte maschinelle Gewalt zwingt zu Fragen nach der Freiheit des Menschen, nicht nur Gutes, sondern auch Böses zu tun. Die Freiheit, zwischen diesen extremen Polen entscheiden zu können, ist, was für Augustin aus dem Sündenfall des Menschen folgt. In existenzieller Ungewissheit, in einer historischen Situation, in der Gutes möglich scheint und sich das Böse wieder am Horizont zeigt, werden Jaspers, Arendt und Barth philosophisch sozialisiert. 

Im Karl Jaspers-Gedenkjahr 2019 wurde der gemeinsame Bezug der Werke von Jaspers, Arendt und Barth zur Freiheitslehre Augustins zum Anlass genommen, eine Tagung im Karl Jaspers-Haus, Oldenburg zu veranstalten, um Differenzen und Gemeinsamkeiten der drei Denkerinnen und Denker auszuloten, zumal die Freiheitsfrage auch und gerade heute als die basale Frage für unabhängiges, kritisches Denken und verantwortliches, gesellschaftliches Handeln gelten muss. 

Der vorliegende, von Nils Baratella, Johanna Hueck, Kirstin Zeyer herausgegebene Sammelband vereint die nach Sektionen gegliederten Beiträge. In der Sektion I: Zwischen Vergangenheit und Zukunft: Auslegung und Geschichte widmet sich Harald Schwaetzer der alle drei Denker übergreifenden Frage nach der existentiellen Phänomenologie als „Wesenserfahrung des Göttlichen“. Während Nils Baratella in seinem Beitrag mit dem ‹immerwährenden Anfang› einen zentralen Aspekt von Hannah Arendts Augustinus-Rezeption in den Blick nimmt, konzentriert sich Kirstin Zeyer auf Heinrich Barths Philosophiegeschichtsphilosophie. – Die Sektion II: Existenz und Freiheit eröffnet Susanne Möbuß mit Überlegungen zur Bedeutung des existenzphilosophischen Konzepts der ‚gebundenen Freiheit‘, gefolgt von Anton Hügli zum Thema „Freiheit und Existenz – Auf der Suche nach der Freiheit, die wir meinen“. Das Freiheits- als Willensproblem bei Hans Jonas und Hannah Arendt steht im Zentrum des Beitrags von Frauke A. Kurbacher. Armin Wildermuth widmet sich dem Thema der Freiheit und der Welt der Erscheinung bei Hannah Arendt, Adolf Portmann und Heinrich Barth. – In der Sektion III: Transzendenz und Freiheit erläutert Malte Maria Unverzagt Jaspers’ Konzeption des „Umgreifenden“, gefolgt von Bernd Weidmann, der den augustinischen Spuren der Ohnmacht in der Freiheit im Denken von Karl Jaspers nachgeht. – In Sektion IV: Gnade, Freiheit und Politik untersucht Christian Graf mit Blick auf Heinrich Barth die Frage der Gnade im Kontext der Philosophie. Johanna Hueck stellt schließlich das Verhältnis von Existenz und Transzendenz bei Heinrich Barth in den Mittelpunkt. – Stephan Stockmar

Es handelt sich bei diesem Sammelband um Band 1 der neuen, im Basler Schwabe-Verlag erscheinenden Reihe „Forschungen zu Karl Jaspers und zur Existenzphilosophie“, herausgegeben von Anton Hügli und Kurt Salamun

Nils Baratella, Johanna Hueck, Kirstin Zeyer (Hg.): Existenz und Freiheit Karl Jaspers, Hannah Arendt und Heinrich Barth zur Freiheitslehre Augustins, Schwabe-Verlag Basel 2022, 246 Seiten, 52 €. als eBook 41,50 € 

Warum wir Cusanus brauchen

Kürzlich erschien in den „Texten und Studien zur Europäischen Geistesgeschichte“  der Band „Why we need Cusanus / Warum wir Cusanus brauchen“ (Reihe B, Band 24), herausgegeben von Enrico Peroli und Marco Moschini. – 1964, zum 500. Todestag des Nikolaus Cusanus veröffentlichte der Theologe Hans Urs von Balthasar einen langen Artikel in der Kulturbeilage des Basler Volksblattes mit dem Titel „Warum wir Cusanus brauchen“. Nun, fast sechzig Jahre später, diskutieren in diesem Band Philosophen, Theologen und Gelehrte aus verschiedenen europäischen Ländern erneut über die Aktualität des Denkens von Cusanus und seiner Relevanz für die zeitgenössische Kultur. Die Autoren gehen auf die von Balthasar 1964 aufgeworfene Frage von verschiedenen Perspektiven und Ansätzen her ein. So entsteht ein Bild von dem vielfältigen Erbe der Philosophie des Cusanus. Zugleich eröffnet sich ein Blick auf neuen Richtungen der Forschung zu Nikolaus von Kues in den letzten Jahrzehnten:

Einleitend wird von den beiden Herausgebern nach der (Post-) Modernität von Cusanus gefragt. Dann blickt Isabella Mandrella unter dem Titel „Cusanus und die Leidenschaft für das Denken“ auf den Balthasar-Artikel zurück. John Milbank untersucht den doppelten Zusammenfall der Gegensätze bei Cusanus und Johannes Hoff geht der Frage nach, warum wir  nach dem Repräsentationalismus der modernen Philosophie und Theologie Nikolaus von Kues brauchen. Harald Schwaetzer widmet sich der „Geburt der Naturphilosophie aus dem Geiste der Mystik“ im Hinblick auf die „Aktualität transzendentaler Konjekturalität für eine Philosophie im Anthropozän“.

Thomas Leinkauf verfolgt den Grundgedanken der „Ungenauen Genauigkeit“ des Cusanus, während Markus Riedenauer angesichts der Herausforderungen durch religiösen Pluralismus und Fundamentalismus mit Cusanus die „religio“ zu verstehen sucht. Tilman Borsche sieht in den drei Begriffen „Konjektur, Konkordanz, Kreativität“ Leitideen des Cusanus mit Zukunftspotential, derweil Martin Thurner mit Cusanus dem „Geist der Schwere“ zu begegnen sucht. Gianluca Cuozzo untersucht das Denken des Nikolaus von Kues im Spiegel des handwerklichen Wissens, Jean-Michel Counet die irreduzible Andersartigkeit der Welt unter dessen Blick. Schließlich betrachtet Wolfgang Christian Schneider , wohin des Cusanus’ „Dualität ohne Dualismus“ führen kann, geht Davide Monaco dem Thema „Nicolaus Cusanus und die Hermeneutik“ nach und untersucht Michael Eckert Transzendenz und Immanenz im Horizont eines „Platonischen Skeptizismus“: „Zur ästhetischen Vermittlungsleistung cusanischen Denkens“. – Stephan Stockmar

Der Band geht auf eine deutsch-italienische Tagung zurück, die 2019 von den italienischen Herausgebern gemeinsam mit der italienischen Cusanus-Gesellschaft und ihrem Präsidenten Gianluca Cuozzo sowie dem Philosophischen Seminar durchgeführt worden ist. Er kann hier bezogen werden.

Coincidentia: Linien des Geistes

Soeben ist ein neuer Band von „Coincidentia – Zeitschrift für europäische Geistesgeschichte“ (12/2; herausgegeben von der Kueser Akademie) erschienen: Unter dem Titel „Linien des Geistes“ werden hier vielfältige Denkbeziehung über die Zeiten hinweg verfolgt, die letztlich im Neuplatonismus von Plotin gründen. Der Weg geht von der Abbildlichkeit des Menschen vom Göttlichen bei Gregor von Nyssa und Meister Eckhart (Francisco Bastitta Harriet) über Cusanus und Descartes, deren Sehtheorien miteinander verglichen werden (Kirstin Zeyer), zur Plotin-Rezeption bei Berkeley und Hegel (Jan Kerkmann). „Beide gehen grundsätzlich von der Entfaltung des Einen aus, bringen diese jedoch in verschiedene Zusammenhänge. Berkeley sieht sie mit Überlegungen zum Sehen und einem Bemühen um Erkenntnis zusammen, das […] von einem sich entfaltenden Göttlichen getragen ist, […]; Hegel begreift den Entfaltungsvorgang als eine durch das Denken verfügte Dreiheit von unbestimmter Einheit, selbstbezüglicher Zusammengehörigkeit von Denkendem und Gedachten und konkreter Totalität intelligibler Prädikate. Von daher kann, wie Max Maureira schließlich darlegt, das Schweigen bei Hegel, als Sprache, aus Zeichen, Vorstellungen sowie den Verbindungen unter ihnen, wie in zweiter Existenz hervortreten“ (Wolfgang Christian Schneider, zusammen mit Kirstin Zeyer Herausgeber, im Vorwort). In weiteren, sich immer mehr der Gegenwart nähernden Beiträgen geht es um die Struktur der Reflexion bei Fichte (Claus-Artur Scheier), das hyperbolische Selbst bei Kierkegaard und Nietzsche (Jan Juhani Steinmann) und schließlich um die Darstellung von Benjamin Breeks philosophischer Beurteilung der geschichtstheoretischen Ansätze Jan Romeins. „In beispielhaften Blicken zeigen die Beiträge das fortdauernde ‚lange Gespräch‘ über die Zeiten hinweg, das – auch scheinbar überholte Haltungen und Bewertungen einschließend – bis in das Heutige reicht und als solches notwendig ist, so zum gegenwärtigen Leben beiträgt“ (Schneider). – Am Schluss des Bandes finden sich, wie gewohnt, eine Reihe interessanter Buchbesprechungen.

Der Band ist hier zu beziehen.

IZFK: Literatur – Philosophie – Ästhetik

Der fünfte Band der Internationalen Zeitschrift für Kulturkomparatistik, herausgegeben von Wolfgang G. Müller und Reinhard Thiel ist dem symbiotische Verhältnis von Philosophie und Literatur gewidmet, wie es seit der Antike existiert. Es geht um die Erscheinungsformen und Spielarten der Interaktion von Philosophie und Literatur, so dem Mimesis-Konzept von der antiken Philosophie bis zur modernen Literaturtheorie, dem Denken der Vorsokratiker, das in der Moderne wieder aufgegriffen wurde, der antiken Gattung des Gedankenexperiments und seiner Bedeutung bis zur Gegenwart. Platons Ring des Gyges wird als antiker Ursprung der Vorstellung des unsichtbaren Menschen herausgestellt. Ein Beitrag untersucht die ethische Dimension der Literatur, ein weiterer Freges Deutung der Sprache der Poesie. Fallstudien beschäftigen sich mit Ciceros intrikater Verwendung des Dialogs, Hölderlins Umsetzung der Philosophie in Literatur, Hegels Vergeistigung der Kunst, Schopenhauers Literarisierung der Philosophie, Wallace Stevens’ lyrischem Philosophieren, der Assimilation von Derridas Denken bei Francis Ponge, der Bedeutung moderner wissenschaftlicher Theorien bei Samuel Beckett und anderen postmodernen Romanciers und mit der Anverwandlung asiatischer Philosophie im Werk des amerikanischen Lyrikers Gary Snyder.

Dieser Band wie auch die vorangegangenen Bände können hier kostenlos heruntergeladen werden.