Im Rahmen ihres DFG-Projekts „Ernst Cassirers Philosophie der Mathematik – Eine Kulturphilosophie der Mathematik am Beginn des 20. Jahrhunderts“ veranstaltete die Siegener AG Philosophie und Geschichte der Mathematik eine Tagung zum Thema „Die theoretische Philosophie Ernst Cassirers – Perspektiven aus Mathematik- und Kulturphilosophie“. Dort hat PD Dr. Kirstin Zeyer, forschende Mitarbeiterin im Philosophischen Seminar, einen Vortrag über „Unendlichkeit – Schranke oder Selbstbejahung der Vernunft? Cassirers philosophiegeschichtliche Rezeption des Problems des Unendlichen, insbesondere bei Descartes und Cusanus“ gehalten. Der Tagungsband wird in der Reihe „Cassirer-Forschungen“ des Hamburger Meiner-Verlags erscheinen. Hier folgt schon einmal der Abstract von Zeyers Beitrag:
Zwischen der frühen neukantianischen Formel des „erzeugenden Denkens“ und den späteren Überlegungen zur Einheit von Sinn und Sinnlichkeit stiftenden Aktivität des ‚animal symbolicum‘ existiert in der Philosophie Cassirers kein Bruch (wie oft für den Übergang von der Erkenntnis- zur Kulturphilosophie behauptet wurde), sondern eine Wende, wie sie in der konsequenten Ausübung des Goethe-Wortes liegt: ‚Willst du ins Unendliche schreiten, geh nur im Endlichen nach allen Seiten!‘ Unendlichkeit als eine Forschungsaufgabe für das Denken, das in seiner charakteristischen Tätigkeit immer neue Inhalte erfasst, diskutiert der Beitrag am Beispiel Cassirers Auseinandersetzung mit Cusanus und Descartes. Es ist vor allem das (über die Schranken des Verstandes bei Descartes hinausweisende) spekulative Unendlichkeitsdenken des Cusanus, das in Philosophie und Mathematik gleichermaßen fruchtbar wird und in dieser doppelten Funktion auch deutliche Spuren in Cassirers eigener Philosophie hinterlässt, wo es an die Seite anderer zentraler Grundbegriffe und Funktionen des Geistes tritt. Ob und inwiefern im Bereich der gewissermaßen unendlich produktiv gedachten Symbolfunktion des Geistes selbst auch eine Schranke liegt, die sich möglicherweise in einem Antirealismus auswirkt, auf diese Frage wird abschließend kurz mit einer Kritik Hugo Dinglers an Cassirers ‚Matrizenapriorismus‘ eingegangen.