Nach „Symbole als Wegweiser in Franz Schuberts ‚Winterreise‘“ (2019) ist nun in der von Harald Schwaetzer und Henrieke Stahl im Roderer-Verlag herausgegebenen Reihe „Philosophie interdisziplinär“ eine weitere Schrift von Tokihiko Umezu zu diesem Schlüsselwerk romantischer Musik und Dichtung erschienen. Der in Japan sehr bekannte Philosoph, Musikwissenschaftler und Musikkritiker versteht die „Winterreise“ in ihrer Einheit von Text und Musik als einen komponierten seelischen Entwicklungsweg. In diesem Sinne ist sie ihm ein „mystischer Liederzyklus“, wie es in der Einleitung zu „Symbole als Wegweiser“ heißt. Dieser Gedanke liegt auch dem neuen, ebenfalls von Erika Herzog aus dem Japanischen übersetztem Werk zugrunde, das von zehn „Mysterien“ handelt, wobei der sterbende Lindenbaum, der als ein „Weltenbaum“ gedeutet wird, im Zentrum steht.
In einer japanische Rezension dieses Buches, die Harald Schwaetzer in seinem Geleitwort zitiert, heißt es treffend: „Die Zusammenfassung des Buches ‚Der sterbende Lindenbaum‘ lautet: die Lieder von Schubert sind in Wirklichkeit furchterregend. Warum? Weil sie die verzweifelnde Einsamkeit des Menschen deutlich beschreiben.“ Umezu erkenne Schubert als einen „Vorläufer des Existenzialismus“. – Nach Umezu mündet die Winterreise in eine illusionslose Selbstbegegnung des wandernden Protagonisten, die nicht in einer Erlösung endet. In diesem Zusammenhang spielt Friedrich Nietzsche eine wichtige Rolle, der nebenbei auch als von Schubert beeinflusster Liedkomponist gewürdigt wird.
Tokihiko Umezu: Symbole als Wegweiser in Franz Schuberts „Winterreise“, aus dem Japanischen übersetzt von Erika Herzog. Philosophie interdisziplinär, Roderer Verlag Regensburg 2019, 200 Seiten, 29,95 EUR
Tokihiko Umezu: Der sterbende Lindenbaum – Zu Franz Schuberts „Winterreise“, aus dem Japanischen übersetzt von Erika Herzog. Philosophie interdisziplinär, Roderer Verlag Regensburg 2023, 112 Seiten, 26,80 EUR