Zeus: von ihm lasst uns Ursprung nehmen, den niemals wir Menschen
ungesagt lassen. Voll von Zeus aber alle die Wege,
voll alle Plätze der Menschen, voll auch die wässrige Meerflut,
Häfen auch. Überall aber bedürfen des Zeus wir ja alle.
Seines Geschlechts nämlich sind wir. Der aber, milde den Menschen,
schenkt mit der Rechten günstigen Wink, weckt die Völker zum Wirken,
weist, was zum Leben gehört, an, sagt, wann die Scholle am besten
ist für Ochsen und Hacke; er spricht, wann die günstigen Stunden,
Pflanzen zu häufeln und richtig allerlei Saaten zu säen.
Er nämlich hat die Zeichen am Himmel gegründet, die Sterne
recht unterscheidend. Er schaute den Lauf des Jahres hindurch die
Sterne, welche am besten schenken günstige Winke
Menschen für Stunden, dass kräftig genährt alles wachsend gedeihe.
Ihn zuerst und immer zuletzt auch bitten um Gunst sie.
Gruß Dir, Vater, großes Staunen und Wahrtraum den Menschen!
Dir und auch dem früh’ren Geschlechte! Gruß Euch, ihr Musen,
mild seid ihr alle! Mir nun bittend, von Sternen zu singen,
ordnet, wie es göttlicher Satzung geziemet, die Lieder!Arat: Phainomena, Einleitender Hymnus auf Zeus
Aratos von Soloi (Arat, ca. 310–245 vor Chr.) gab mit seinem in Hexametern verfassten Gedicht Phainomena dem weit verbreiteten Empfinden der Menschen seiner Zeit einen Ausdruck: Wie man sich in Raum und Zeit für Wetter, Weg und Ernte orientierte, das geschah auf dem Land oder auf dem Meer mittels der Wahrnehmungen („Phainomena“) der Sterne: welche wann aufgingen, wie sie erschienen, ob sichtig, ob trüb, welche Geschichte („Mythos“) sie erzählten. Hinter dieser geistigen Bilderwelt des Kosmos, welche Natur ordnend durchwaltet, lag für Arat ein überkosmisches Prinzip, welches er wie alle, die sich zur damals wichtigsten philosophischen Strömung der Stoiker zählten, als „Logos“ beschrieb – eben jener Logos, der auch im Prolog des Johannes-Evangeliums die zentrale Stelle im Christentum einnimmt. Arat und die Stoiker nannten diesen überkosmischen Logos, wenn sie sich der alten Göttersprache bedienten, „Zeus“. Deswegen beginnen die „Phainomena“ mit einem Hymnus auf ihn. Und sie heben hervor, dass die Menschen unter allen Wesen diejenigen sind, die „eines Geschlechts“ mit Zeus, dem Logos, sind, eine Bemerkung, an die das frühe Christentum angeschlossen hat.
Wer den Hymnus heute liest, der kann daran vielleicht eine Empfindung entwickeln, wie der Mensch durch Teilhabe an einem überkosmischen Prinzip, dem Logos in seinem eigenen Wesen, im Gewahrwerden des Kosmischen zu einem Miterleben der Natur im Alltäglichen zu gelangen vermag.
