Was nehmen wir eigentlich wirklich wahr, wenn wir die Welt betrachten? Was hat ein Musikstück von Bach mit Denken zu tun? Ist unser Erkennen eigentlich eine willkürliche Aneinanderreihung von Assoziationen und Gedankenfetzen, oder gibt es hier etwas zu entdecken, das eine gewisse innere Logik enthält? Wo stehen wir eigentlich heute mit unserer Art, die Welt zu sehen? Wie greifen wir unbewusst und ständig mit dieser Art zu sehen in unsere Mitwelt ein?
Am 9. April hatten wir alle am Weiterbildungsprogramm LEBENDIGE PHILOSOPHIE Interessierten zu einem ersten Praxis-Workshop ins Kloster Machern eingeladen. In vier Arbeitseinheiten – vorbereitet und durchgeführt von abwechselnd vier DozentInnen – gaben wir den 11 TeilnehmerInnen Einblick in eine aufeinander abgestimmte Vielfalt der Methoden und Inhalte. Musikalische Wahrnehmung, Bewusstsein und optische Phänomene, Denkbeobachtung sowie eine historische Überblicksvorlesung waren die Schwerpunkte. Die exemplarischen „Appetithäppchen“, so wurde im Feedback der TeilnehmerInnen deutlich, erlaubten es, auch in der kurzen Zeit Neugier und erste Erkenntniserlebnisse hervorzurufen.
Ein kurzer Einblick: In seiner philosophiehistorischen Vorlesung in der abschließenden Einheit zeigte Harald Schwaetzer, wie die Wirklichkeitsentfremdung des Denkens durch die Abgeschlossenheit im Raum der eigenen Vorstellungen ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert hat. Erst durch diese Erfahrung der Abgeschlossenheit des eigenen Bewusstseins von der Erfahrung der geistigen und sinnlichen Welt konnte eine moderne Naturwissenschaft entstehen. Und eine Geisteswissenschaft, die ohne gesellschaftliche Bedeutung ein zunehmend randständiges Dasein führt. Unsere Zeit ist hier nicht weiter, sie wiederholt die Fragen und Problemstellungen des vor-vorigen Jahrhunderts. Kann es heute wieder eine Zusammenführung von realer geistiger Erkenntnis oder auch der lebendigen Natur geben? Können wir durch neue Formen des Denkens und eine Vertiefung des Wahrnehmens wieder zurückfinden zur „Welt“? Das Stichwort Klimawandel ist nur ein Beispiel dafür, dass wir hier nicht mehr von einer schöngeistigen Freizeitbeschäftigung reden, sondern von einer Überlebensfrage. Oder wollen wir allein der weiteren Hochrüstung der technischen Intelligenz unsere Zukunft übergeben?
Unsere Intention ist es, durch die Weiterentwicklung und Kombinationen von klassischen Arbeitsmethoden der Philosophie (Textarbeit, Vorlesungen) mit innovativen Übungs- und Experimentierformen zu Themen wie Konzentration, Bewusstseinsphänomenologie und Wahrnehmungsschulung den Teilnehmern eine im Alltag handhabbare philosophische Lebenspraxis zu ermöglichen. Am 20./21. Juli 2019 wird der nächste Workshop in Bernkastel-Kues stattfinden. Hier erfahren Sie mehr.