Mit dem ersten Wochenende eines neuen Begleitstudiums beginnt in vielerlei Hinsicht etwas Neues: Die fünfzehn Teilnehmenden des neuen Jahrgangs kommen zum ersten Mal zusammen, aus verschiedenen Ausbildungs- und Studienzusammenhängen, denken gemeinsam, erleben unsere Arbeit und beginnen, auf ihre Weisen die gemeinsamen Seminare zu prägen. Daneben findet sich eine Gruppe von fünfzehn weiteren Menschen im Vertiefungsjahr, das allen bisherigen Teilnehmenden offen steht: Es gibt Wiedersehen nach der Sommerpause, neue Konstellationen, noch mehr unterschiedliche Disziplinen im Hintergrund und neue inhaltliche Schwerpunkte für das gemeinsame Jahr. Am 15. November begrüßten wir 30 Teilnehmende im Grund- und Vertiefungsjahr des Begleitstudiums Philosophie in unserem Seminarhaus in Freiberg am Neckar.
Im Grundjahr haben wir uns ausgehend von kurzen Textauszügen und eigenen Beobachtungen gefragt, wie ein fruchtbares Philosophieren für unsere Zeit aussehen könnte und welche grundlegenden Probleme andere bereits vor uns ausgemacht und bedacht haben. Hierfür standen uns als philosophische Ansprechpartner*innen an diesem Wochenende Hannah Arendt (1906–1975), Günther Anders (1902–1992) und Heinrich Barth (1890–1965) zur Verfügung. Sie haben das 20. Jahrhundert in beispielhafter Weise als wache Zeitgenoss*innen wahrgenommen, gedanklich durchdrungen und in Worte gebracht. Insbesondere haben wir uns gemeinsam gefragt, was es heißt „ein jegliches von seiner jeweiligen weltlichen Position her“ zu begreifen, wie Arendt in ihrer eigenen Beschäftigung mit Lessing hervorhebt. Und was heißt es, dass das, was wir „machen können (und was wir deshalb wirklich machen) größer ist als dasjenige, wovon wir uns ein Bild machen können“, wie Anders im Brief an den Sohn von Adolf Eichmann schreibt? Mit Barth bedachten wir außerdem, dass eine „existenzphilosophische Auslegung der Zeit“ benötigt wird, damit „die Gegenwart gewichtig wird“. Eine der Teilnehmenden hob in der Abschlussrunde den „ganz anderen Lernkontext, aus Gemeinsamem etwas entstehen lassen“ hervor und die „besondere Atmosphäre“.
Im Vertiefungsjahr wendeten wir uns auf Wunsch der Teilnehmenden Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Walter Benjamin als frühe Denker der sogenannten „Frankfurter Schule“ zu – eine spätere Bezeichnung ihres Arbeitszusammenhangs. Was sagt uns ihre „Kritische Theorie“ der Sozialphilosophie, die am Institut für Sozialforschung in Frankfurt und New York entstanden ist, über unsere Gegenwart? Wir legten den Schwerpunkt auf die Zeit von Horkheimers Übernahme der Instituts-Leitung zu Beginn der 1930er Jahre bis zur Rückkehr des Instituts aus den Vereinigten Staaten nach Frankfurt am Main 1950. Neben kürzeren Auszügen zu ihrem (neuen?) Verständnis der Philosophie lasen wir als Haupttext das erste Kapitel der Dialektik der Aufklärung, Frucht der gemeinsamen Arbeit Horkheimers und Adornos, die 1947 erscheint. Wesentlich für das Verständnis ihres Anliegens ist die Zusammenarbeit mit Walter Benjamin, der sich 1940 auf der Flucht in Spanien das Leben nimmt und dessen literarisches Vermächtnis uns zu eigenem Schreiben inspirierte. Am Sonntag fragten wir nach Aktualität und Aktualisierungen der Kritischen Theorie anhand von Seyla Benhabibs Rede bei der Verleihung des Adorno-Preises der Stadt Frankfurt am Main im September 2024.
Das nächste Seminar findet im Januar 2025 statt: im Grundjahr zu „Natur und Technik: Signaturen und Gefährdungen des Lebendigen“, im Vertiefungsjahr mit Zugängen zur Gefühlsfrage, wobei wir von Lydia Fechner unterstützt werden.