„Das kosmische Weltganze wirkt wesentlich über die von den stoisch gesinnten pneumatischen Medizinern herausgearbeiteten Wechselbeziehungen in den einzelnen Menschen hinein und führt so ganz zwangsläufig zur gleichsam wissenschaftlich begründeten Forderung nach einem ethisch verantwortbaren Tun, das dem pneuma-haltigen Weltganzen entsprechen kann. In dieser Betrachtungsweise vervollständigen die physischen Vollzüge im einzelnen Menschen und dessen daraus folgendes und am pneuma orientiertes Handeln die stimmige Ordnung des Weltganzen – und gewährleisten sie.“
Mit dieser Conclusio lässt Wolfgang Christian Schneider seinen Blick darauf enden, wie die von der frühen Naturphilosophie angenommene das Weltganze durchziehende ‚Luft‘ (aēr), später als ‚Pneuma‘ verstanden, als fortdauernd auch das Einzelne durchziehend gedacht wird. Die Luft im Sinne von Pneuma kennzeichnet das Dazwischen, um das es in diesem Heft der Coincidentia geht, vielleicht am Besten. Durch sie verbinden sich Kosmos und Erde im Menschen.
Wir „stehen in Spannungsräumen, in Widersprüchen, suchend nach einem hinlänglich Festhaltbaren, das uns klarer Begriff werden könnte. Dabei spüren und erfahren wir doch immer, wie viel wir auch auf der jeweils anderen Seite leben, von dort her sind. So öffnet sich uns ein Dazwischen, das wir anerkennen sollten, weil es Wichtiges wahrt, zu erkennen gibt“ – so heißt es im ebenfalls von Schneider verfassten Vorwort. Der Band versammelt des weiteren Beiträge von C.-A. Scheier (Anaxagoras oder Das unendliche Dazwischen), I. Bocken (Das mystische Nichtwissen als Schule des Denkens), D. Jakovljević (Auflösung des Theodizeeproblems durch den Pantheismus?), M. Bunte (Das Absolute in der Reflexion), A. Quero-Sánchez („Die Natur allein ist das wahre Gegengift der Abstraktion“ – Schelling), J. Berding (Cornelis Verhoeven (1928–2001): ein unzeitgemäßer Meister aus Brabant) und A. S. Sabban (Geschriebene und gezeichnete Blicke. Die text-bild-künstlerischen ‚Bildmappen‘ von Christoph Meckel).
In diesem letzten Beitrag geht es nicht nur inhaltlich um ein Dazwischen, sondern auch um das, was sich zwischen den verschiedenen Kunstformen entwickeln kann. Seine Mappen „haben fast alle jahreszeitliche Motive, kommen unmittelbar aus dem Leben und Erleben der Zeit, der Jahreszeit und der eigenen Lebenszeit. Es liegt keine Idee zugrunde, sondern das gewöhnliche, selbstverständliche Dasein, in mir und um mich, in Licht, Raum, Luft, Landschaft“ (Meckel). Die Autorin entdeckt in diesen Mappen „eine fast spielerische Gelöstheit“. „Das Miteinander und Ineinander von Visuellem und Sprachlichem vergegenwärtigt die ‚Schau‘ des Künstlers und Dichters: das Erscheinen des Natürlich-Äußeren und des Künstlers Hinwendung an das Umgebende mit seinem Sich-Finden am Umgebenden und sein Erfassen, in ‚offener Wahrnehmung‘. So stellen beide Gestaltungsmodi gerade in ihrem Zusammen das Diskursive im Wechselbezug von künstlerischem Hinaustasten und dem Empfangen des Erscheinenden vor Augen.“
Damit schließt sich der Kreis der sehr unterschiedlichen Betrachtungen zu „Ambivalenzen, Uneindeutigkeiten, Doppelgesichtigkeiten“, von denen wir, wie Schneider im Vorwort bemerkt, umringt sind.
Am Schluss des Bandes sind wie gewohnt Besprechungen interessanter Neuerscheinungen zu finden. Er ist hier zu beziehen.